Kinder- und Musikgottesdienst: Ein Ton in Gottes Melodie

Am 12. Juli 2015 feierten die Kinder des “neuen” Kirchenbezirks Südwest mit dem Nachwuchsorchester der Gebietskirche Kindergottesdienst. Mit eingeladen waren Eltern und Betreuer der Kinder sowie die Mitglieder der gastgebenden Gemeinde Brandenburg an der Havel. Am Nachmittag stellte sich das Nachwuchsorchester im Rahmen eines Musikworkshops vor.

“Wollen wir tauschen?” Das kleine blonde Mädchen strahlt ihren Nachbarn in der ersten Reihe bestechend an. Gerade hat dieser das einzige pinkfarbene “Raschelei” unter lauter gelben bekommen. Instrumente werden eben nicht nur von Menschen mit jahrelanger handwerklicher Erfahrung gebaut. Das Raschelei besteht aus der Plastikverpackung, die in Überraschungseiern das kleine Spielzeug beinhaltet und ist, gefüllt mit kleinen Körnern, bereit zum rhythmischen Klappern. Bis eben haben die Instrumentalisten musiziert, jetzt haben sie kurz Pause. Gemeinsam mit den beiden Dirigenten Maria und Martin wird ein Lied eingeübt. “Geraschelt wird aber nur im Refrain”, gibt Martin vor. Nach kurzem Klaviervorspiel geht es los: “Ich bin ein Ton in Gottes Melodie”, singen die etwa 50 jungen Instrumentalisten und 60 Kinder aus dem Bezirk, hier und da wird auf dem Cello der Bass mitgezupft. Und so manch Erwachsener im Kirchenraum fällt mit ein.

Der Kindergottesdienst beginnt um zehn. Doch schon kurz vor neun treffen die ersten Kinder mit ihren Begleitern ein. Das Kinderorchester sitzt vor dem Altar. Hier wird gestimmt, dort werden Noten sortiert, eine Geige bekommt noch eine neue Seite. Bezirksvorsteher Thomas Krack beleuchtet in seiner Predigt das Bild des guten Hirten. Heutzutage sei es üblich, dass beispielsweise die Schafe in Norddeutschland ohne Hirten auf dem Deich grasen würden. Sie seien einfach durch einen Zaun eingesperrt. Damals, zur Zeit Jesu, sei das anders gewesen. Die Herden waren immer unterwegs, um neue Nahrung und Wasser zu finden. “Was muss ein guter Hirte denn können?”, fragt er die Kinder. Und schnell sind Antworten zusammen getragen, die den Gottesdienst prägen. “Eine gute Orientierung, damit sie wissen, wo der Weg ist”, weiß ein Junge. Der Hirte müsse “wissen, wo Weide ist und wo Wasser ist”, meint ein anderer. Bezirksältester Krack zitiert – “ich lese daraus vor”, formuliert er selbst – einen Psalm: Schon David habe gewusst “Der Herr ist mein Hirte […]. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.” Dann kündigt er eine musikalische Pause an, aber nicht ohne zu fragen, wie denn das zusammen gehören könnte: Jesus sei doch Zimmermann gewesen und spräche selbst von sich als gutem Hirten?

Nach dem Vortrag des Orchesters gibt er die Antwort: Könige seien im Alten Testament von der Bevölkerung oft “Hirten” genannt worden, wenn sie Gutes taten. Und so wird auch die zweite Eigenschaft (“Der Hirte muss die Herde verteidigen können”) beleuchtet. In seinem Bündelchen, eine Hirtentasche, habe der Hirte eine Steinschleuder als Waffe gehabt. Damit habe er die Herde gegen wilde Tiere verteidigt. Und er bezieht sich auf Jesu Worte vom 'Mietling', einem angestellten Hirten. “Ein schlechter Hirte verlässt die Schafe und haut einfach ab, wenn Gefahr ist”. Jesus habe gesagt “Ich bin bei euch alle Tage”, stellt er dagegen. “Da könnt ihr euch auch heute drauf verlassen: Christus ist immer bei euch.”, verspricht der Älteste den Kindern.

Als dritte Eigenschaft eines guten Hirten war “Er muss aufpassen können”, genannt worden. Dazu gehöre auch darauf zu achten, dass es den Schafen gut gehe. Deshalb versorge ein Hirte sie mit allem Nötigen. Neben dem Bündelchen hätte er damals auch einen sogenannten Bausch getragen. Das sei ein Tuch über dem eigentlichen Gewand gewesen, das über die Schulter getragen wurde. Darin habe er zum Beispiel schwache oder kranke Lämmer tragen können. Was denn mit der Weide vergleichbar sei, fragt Bezirksälteste Krack die Kinder weiter. “Er hat das Brot für uns gebrochen” kommt die Antwort blitzschnell und schmunzelnd fragt er zurück “Vollkorn oder Toastbrot?”. Aber schnell ist klar, es geht um das Heilige Abendmahl. Jesus habe gesagt “Ich bin das Brot des Lebens” und er habe “das wirklich ernst gemeint mit seinem Tod”. Jesus sei ein guter Hirte, “er lässt sein Leben für seine Freunde”. Er “trägt uns auch, wenn wir mal was falsch gemacht haben”. 'Komm in meinen Bausch', heiße es dann. “Du kannst dich drauf verlassen, auch in deinen Schwächephasen bin ich bei dir!” Jesus habe kurz nach seiner Auferstehung seinem Jünger Petrus den Auftrag gegeben, seine Schafe zu weiden. “Ich wünsche euch, dass ihr in euren Gemeinden merkt, davon hat sich nichts abgeschwächt, das gilt auch heute noch!”, so der Bezirksälteste.

Die Mittagspause verbringen die Kinder bei Hotdogs, Waffeln, Bratwürsten und Eis. Auf der Wiese sind Tische und Bänke aufgestellt. Ab und an fegt ein beherzter Windstoß Teller und Servietten herunter. Dem Getuschel und Gelächter auf der Wiese tut das keinen Abbruch. Doch dann heißt es: “Kommt rein zum Musikworkshop”. Stephan Witzke, Leiter des Orchesters, fragt die Kinder, welche Instrumente sie denn kennen würden. Ein Instrument nach dem anderen wird vorgestellt, spielt eine kurze Melodie. Nanu? Das ist doch der Großvater? Richtig: Ein Fagott. Das Instrument wird sofort erkannt: Sergei Prokofjew hatte es in “Peter und der Wolf” der Figur des Großvaters zugeordnet. Jean-Jacques, der Fagottist, sei zwar noch kein Großvater, aber immerhin könne er schon Auto fahren, fügt Stephan Witzke augenzwinkernd hinzu. Und so geht es reihum: Geigen, Celli, Quer- und Blockflöte, Horn, Posaune, Trompeten und Orgel. Einige Kinder aus dem Bezirk haben eigene Instrumente mitgebracht. Sie dürfen im Orchester sitzen und mitspielen. Sogar zwei kleine Klarinetten sind dabei, die “wir als Instrument gerade gar nicht im Orchester haben”. Auch sie spielen die Stimme vor und dürfen “ab sofort mitspielen und zu unseren Proben kommen”, versichert der Dirigent. Nach einem weiteren Musikstück bedankt sich Bezirksälteste Krack mit einem Zitat seines Vater: “Wer sich der Musik erkiest hat ein himmlisch Werk gewonnen, denn ihr erster Ursprung ist aus dem Himmel her genommen” (frei nach Martin Luther). Das sei “richtig Arbeit hier, die Übungsarbeit”, die man zum größten Teil gar nicht sehe, weil sie zu Hause stattfinde. Deshalb sei es ihm wichtig, dass sie wertgeschätzt werde. Und er wünscht den jungen Musikern “Erfolg und Geduld mit euch selbst”. Und das Mädchen mit dem pinkfarbenen “Raschelei”? Sitzt glücklich hinter dem Orchester auf den Altarstufen und strahlt.

(Das Wort “erkiesen” wurde bis ins 18. Jahrhundert in Deutschland aktiv verwendet. Heute kennen wir hiervon noch das Partizip “erkoren” im Sinne von erwählen/aussuchen. Der Satz würde heute etwa beginnen “Wer die Musik für sich erkoren hat”.)

Text und Fotos: jel